Mit der Investition deines Geldes kannst du nicht nur der Inflation entgegenwirken, sondern auch Vermögensaufbau betreiben. Jeder träumt davon, dass sich sein Geld „von alleine“ vermehrt und zusätzliches Vermögen aufbaut. Diesen sich selbst verstärkenden Prozess kann jeder für sich nutzen – auch du. In den vergangenen Wochen und Monaten haben die enormen Wertsteigerungen von Kryptowährungen sowie die kurzfristigen Wertexplosionen einiger Aktien (z.B. von GameStop) Schlagzeilen gemacht. Dadurch haben Kapitalanlagen in diesen Anlageklassen viel Aufmerksamkeit in der breiten Öffentlichkeit bekommen und sind vielfach auch in Rundfunk, TV und Internet diskutiert worden. Wir zeigen dir, warum dich solche Hypes in nahezu allen Fällen Geld kosten und in welche psychologischen Fallen du dabei tappst. Mit dem langfristigen Investment in ETFs umgehst du die meisten dieser Stolpersteine auf dem Weg zum finanziellen Erfolg.
- Mit gehypten Investments kannst du viel Geld gewinnen, aber eben auch verlieren
- Privatinvestoren kaufen oft im Hoch aufgrund der Angst Gewinne zu verpassen
- Im Nachhinein ist die Vergangenheit meistens trivial (verzerrte Wahrnehmung)
- Zum langfristigen Vermögensaufbau eignet sich ein breit gestreutes ETF-Portfolio
1. Phänomen GameStop
Extrembeispiele wie die des 23-jährigen US-Amerikaners Arzel Rodriguez sind berühmt geworden: Er hat mit der GameStop Aktien in wenigen Monaten aus 28.000 US-Dollar (ca. 23.500€) rund 3,8 Mio US-Dollar (etwa 3,2 Mio €) gemacht.[1] Durch diese Geschichten träumen auch viele Privatanleger vom schnellen Reichtum und großen Gewinnen frei nach dem Motto: Über Nacht zum Millionär. Die Risiken treten dabei leicht in den Hintergrund. Natürlich haben einige Wenige sehr viel Geld mit diesen Trades verdient, über die große Mehrzahl an Anlegern die einen extrem großen Anteil ihres Portfolios verloren haben wird aber nicht berichtet. Zudem musst du dich fragen: Hälst du die extreme Volatilität solcher Aktien auch tatsächlich aus? Sowohl in positiver als auch in negativer Richtung?
Schaust du dir den 9-Monats-Chart der GameStop Aktie an, dann war das auf jeden Fall ein lohnendes Investment, oder? In der Rückbetrachtung siehst du den Trend von links unten nach rechts oben und die riesigen Gewinne, die möglich waren. Aber schauen wir uns den Chart etwas näher an, denn der Hype und die mediale Aufmerksamkeit um die GameStop Aktie begannen so richtig im Januar 2021.
Selbst jetzt, wo die enormen Preisschwankungen explizit aufgezeigt sind, tendieren wahrscheinlich trotzdem noch viele Leser dazu eher die möglichen Gewinne als potentielle Verluste zu sehen. Und auch uns geht es in der ersten Tendenz so, dass wir uns ausmalen wie aus 10.000€ über 68.000€ werden als dass unser Investment nur noch 2.500€ wert ist.
2. Psychologie des Investierens
Das Problem bei der Rückschau auf Aktienkurse ist in der Regel, dass wir uns selber besser einschätzen als wir in der tatsächlichen Situation gehandelt hätten: “Für jeden ist offensichtlich, dass Kurse über 250€ je Aktie überbewertet sind.” Das sagt sich im Rückblick leichter, als es in er Situation selber ist. Nehmen Kurse eine solche Dynamik auf, dass innerhalb von wenigen Tagen mehrere 100% Rendite möglich waren, kann es theoretisch noch einige Tage so weiter gehen. Wann das Ende kommt kann niemand wissen und vorhersehen – niemand. Abgesehen vom unmöglichen Timing des Hochpunktes ist fraglich, welcher Privatanleger den vollen Aufschwung überhaupt mitgemacht hätte. Bei einem Preisanstieg von 85% in nur 3 Tagen hätten und haben viele Anleger Gewinne bereits mitgenommen, weil solch ein starker Anstieg in kurzer Zeit (und ohne Rechtfertigung durch neue Geschäftszahlen) extrem selten ist. Wenn kurz darauf ein Anstieg von 180% in 4 Tagen folgt, sind mit großer Wahrscheinlichkeit viele der frühen Investoren bereits ausgestiegen. In diesem Bereich steigen jedoch immer mehr Neuinvestoren ein, die aufgrund der wachsenden medialen Aufmerksamkeit sowie des “Fear of Missing Out” (FOMO, die Angst große Gewinne zu verpassen) einsteigen.
Steigt der Kurs eines Unternehmens stark an, mit dem du dich kurz zuvor beschäftigt hast, hast du dich sicherlich auch schon mal in Gedanken sagen hören: “Habe ich’s doch gewusst!” oder “Wäre ich mal doch eingestiegen!” Um nicht “noch mehr” der Gewinne zu verpassen, tendieren Anleger dann häufig dazu noch schnell auf den Zug aufzuspringen. Genau dies entspricht dem FOMO-Phänomen. Dabei sind Emotionen der schlechteste Ratgeber für Börsenentscheidungen, wie bereits der amerikanische Unternehmer und Vanguard-Gründer John Bogle wusste:
„Die größten Feinde des Investors sind Ausgaben und Emotionen.“
„Zeit ist dein Freund; Impulskäufe sind deine Feinde.“
Dazu passt auch ein weiteres Zitat von John Bogle, welches die Interpretation der fallenden Kurse der GameStop Aktie erleichtert:
„Man ist stets optimistisch, wenn die Kurse ganz oben sind, und pessimistisch, wenn sie sich auf dem Weg nach unten befinden.“
Hat der Preisverfall der Aktie erstmal begonnen, macht sich schnell Panik breit: “Soll ich noch schnell verkaufen bevor alles zu spät ist oder sollte ich die Verluste aussitzen?” Selbst Investoren, die vor dem ganz großen Hype am 26.01.21 bei rund 94,80€ “noch günstig” eingestiegen sind, haben innerhalb von etwa 2 Wochen einen Verlust von 39% eingefahren. Um das nochmal zu verdeutlichen: Von einem 10.000€ Investment sind dann nur noch 6.100€ übrig. Der Verkaufsdruck wird aufgrund von weiteren Verlustängsten häufig so groß, dass die Anteile verkauft werden um “noch größeren Schaden” zu vermeiden. Selbst dann, wenn die zuvor festgelegte Strategie besagt, die Anteile langfristig halten zu wollen. Dass die Preise im März 2021 (Abbildung 1) dann nochmal so anziehen, konnte Mitte Februar niemand absehen.
Info: Der bisherige, absolute Hochpunkt (Stand: 22.03.2021) der GameStop Aktie wurde im Laufe des Tages vom 28.01.2021 mit einem Preis von 419,90€ erreicht. Werden nicht nur die Schlusskurse wie in den Diagrammen 1 und 2 berücksichtigt, sondern auch die Tagesschwankungen, waren Verluste von 91% innerhalb von 12 Tagen möglich (Hochpunkt des 28.01.21 bis zum Tief am 09.02.21). Der Investor, der zum schlechtesten Zeitpunkt eingestiegen ist, muss also mit dem verbleibenden Kapital ein Wachstum von 1004% einfahren, um überhaupt erst wieder bei ±0 zu sein.
Unsere Psychologie täuscht uns in der Nachbetrachtung von Ereignissen allzu leicht Handlungen vor, die wir in der Situation vermeintlich getätigt hätten: “Mir hätte auch eine Verdopplung meines Einsatzes gereicht und ich hätte mit Gewinn verkauft.” Diese verzerrte Wahrnehmung beruht auf der Tatsache, dass wir heute den Ausgang schon kennen und Informationen zur Verfügung haben, die wir zum damaligen Zeitpunkt nicht hatten. Verdoppelt sich der Einsatz aber bereits innerhalb weniger Stunden, dann steigt die Hoffnung auf das ganz große Geld und Strategien werden über den Haufen geschmissen, denn es macht sich eine Goldgräberstimmung breit. Und mit jeder Verdopplung des Einsatzes wird der Mut vermeintlich bestätigt und immer mehr Anleger steigen ein (FOMO). Wenn sich der Trend aber drastisch umgekehrt besteht so lange die Hoffnung auf einen “kurzen Rücksetzer”, bis die angehäuften Verluste so groß sind, dass panikartige Verkäufe die Folge sind.
Du solltest versuchen, dich in einer solchen Nachbetrachtung immer in die damalige Lage zu versetzen. Versuche dir vorzustellen wie es sich anfühlt, dass deine Investition stark im Wert steigt bzw. sinkt. Wie rechtfertigst du die Verluste vor deiner Frau/deinem Mann und der Familie? Wie gehst du persönlich damit um? Handelst du wirklich nur mit Geld, auf das du notfalls komplett verzichten kannst? Sei dir bewusst, dass sich ein Verlust oft schmerzvoller anfühlt, als ein Gewinn Freude bereitet. Außerdem ist es ein großer Unterschied sich einen Verlust in einem ruhigen Moment vorzustellen und ihn dann wirklich zu realisieren. In der Regel unterschätzt jeder die (psychologischen) Auswirkungen in der Realität: Kommt es zu einem großen Verlust dreht sich auf einmal der Magen um, wie erfahrene Anleger sicher zu berichten wissen.
3. Lehren aus dem GameStop-Hype
Läuft eine Aktie (oder allgemein: Investment) heiß und es treten extreme Schwankungen nach oben und nach unten auf, werden kaum noch rationale Entscheidungen getroffen. Gefühlsgeleitete Investments sind jedoch in den allermeisten Fällen schlecht, weshalb Emotionen möglichst komplett aus solchen Entscheidungen verbannt werden sollten. Auch wenn “dieses Mal alles anders” zu sein scheint, werden extreme Schwankungen ohne handfeste Begründung (fundamentale Daten) langfristig immer wieder ausgeglichen. Um ein letztes Mal Herrn Bogle zu zitieren:
„Die wichtigste aller Regeln in den Finanzmärkten ist diese: das ewige Gesetz der Rückkehr zum Mittelwert.“
Mittelwert oder Durchschnitt klingt für die meisten Anleger langweilig und kaum erstrebenswert. Jeder träumt von überdurchschnittlichen Renditen und dem schnellen Weg (der Abkürzung) zum Reichtum. Sonderfälle wie die des GameStop-Hypes suggerieren den schnellen Reichtum, den aber nur ganz wenige Menschen erreichen. Für die Mehrzahl der Investoren enden solche Investments in einem drastischen Verlust. Die (wissenschaftlich belegte) optimale Wahl ist die Investitionen in den breiten Aktienmarkt.[3-7] Der beste Weg dies zu tun sind ETFs, die mit ihrer günstigen Kostenstruktur, dem geringen zeitlichen Aufwand und ihrer Flexibilität den selbstbestimmten Vermögensaufbau so einfach wie noch nie machen. Mehr über die Vorteile von ETFs erfährst du hier.
4. Fazit
Der kurzfristige Reichtum scheint häufig so nah und in der Retrospektive so einfach. Wir werden dabei aber oft von unserem eigenen Verstand ausgetrickst und haben im Nachhinein eine verzerrte Wahrnehmung, wie du vielleicht selber in unserem Gedankenexperiment gemerkt hast. Langfristig ist ein breit diversifiziertes ETF-Portfolio die bessere Geldanlage für den Vermögensaufbau: mehr Rendite, weniger Aufwand und geringeres Risiko. Auch wenn Beispiele wie die von Arzel Rodriguez zeigen, dass der schnelle Reichtum möglich ist, gehört immer sehr viel Glück dazu. Und wenn es danach geht kannst du auch, überspitzt formuliert, von deiner monatlichen Sparsumme Lotto spielen. Wie dich „nur durchschnittliche“ Renditen von rund 7% pro Jahr trotzdem reich machen können, zeigen wir dir in unserem kommenden Artikel. Wenn du diesen auf keinen Fall verpassen möchtest, dann trage dich in unseren Newsletter ein und folge uns auf Facebook. Hast du bereits Erfahrungen mit Hype-Investments gesammelt und damit Geld verdient bzw. verloren? Und welche psychologischen Tricks sind deinem Verstand eingefallen, um dir eine andere „Realität“ vorzugaukeln? Lass es uns in den Kommentaren wissen!
5. Quellen
[1] Focus; Über Nacht Millionäre: Diese Gamestop-Zocker haben rechtzeitig verkauft und sind reich
[2] Onvista; GAMESTOP
[3] G. P. Brinson et al., 2020; Persistence in the market risk premium: evidence across countries
[4] R. Mehra et al., 1985; The equity premium: A puzzle
[5] Zixuan Wang and Luis Viceira, 2018; Global Portfolio Diversification for Long-Horizon Investors
[6] Gerd Kommer, 2012; Herleitung und Umsetzung eines passiven Investmentansatzes für Privatanleger in Deutschland: Langfristig anlegen auf wissenschaftlicher Basis*
[7] Gerd Kommer, 2018; Souverän investieren mit Indexfonds und ETFs: Wie Privatanleger das Spiel gegen die Finanzbranche gewinnen*
Disclaimer
Wir haben den Artikel im besten Wissen und Gewissen geschrieben. Die Informationen sind von uns selbst recherchiert worden und die Berechnungen haben wir selbst durchgeführt. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass uns an irgendeiner Stelle ein Fehler unterlaufen ist. Falls du auf einen stößt sind wir dankbar, wenn du uns darüber in Kenntnis setzt. Des Weiteren möchten wir darauf hinweisen, dass wir keine Steuer- oder Anlagenberater sind. Wir betreiben keine Anlageberatung oder Anlagevermittlung. Erfahre, wer hier eigentlich schreibt.
Hallo Patrick. Du hast mir wirklich die Augen geöffnet und die kühle Auswertung ist immer besser als emotionale Überstürzung. Danke für den tollen und lehrreichen Artikel zum Thema Reichtum und Hype. Mach weiter so.
Hi Michael,
wir wissen zwar nicht wer Patrick ist, wir freuen uns aber trotzdem sehr über deinen Kommentar 🙂
Schön, dass dir unsere Aufarbeitung des GameStop-Hypes geholfen hat. Wir sind auch immer wieder erstaunt, was die reine Faktenlage so offenbart und wie leicht man sich von seinen Gefühlen hinreißen lässt, wenn man nur Charts vor Augen hat.
Wir wünschen dir weiterhin objektive Investments. Beste Grüße,
das ETF-Labor